Sybille Jatzko
Gesprächstherapeutin
Traumatherapie,
EMDR, Trauerbegleitung, Katastrophennachsorge
Görzbornstr.
3; 67706 Krickenbach
Tel:
06307/ 993006
Fax:
06307/ 993007
Handy:
0171/ 5426612
E-mail: SJatzko@aol.com E-mail: Sjatzko@web.de
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Opfer und Hinterbliebene
Sybille Jatzko
Schwerverletzte
erfahren oft Monate lang die körperliche Wiederherstellung in den
verschiedensten Krankenhäusern und der Reha. Nach den Krankenhausentlassungen
kehrt meist Ruhe ein. Das ist die Zeit, wo die Seele beginnt mit Veränderungen
und dem Erlebten wieder zurückzukehren. Hier erfahren sich die Opfer häufig
doppelt gestraft, denn nach dem Wiedererlangen der körperlichen Beweglichkeit
wird häufig davon ausgegangen, dass die Seele sich auch beruhigt habe. Die
körperlichen Beschwerden überdecken aber oft die seelischen Schmerzen. Opfer
beschreiben ihr seelisches Befinden mit dem Satz: " Nichts ist wie es
einmal war." Das bedeutet, dass alles durcheinandergeraten ist. Jetzt muss
im Leben eine neue Orientierung gefunden werden. Die Lebenssicherheit ist
verloren gegangen. (Urvertrauen). Allgemeines Misstrauen das auf Menschen und Situationen projiziert wird, ist
häufig ein neues Erleben. Schulgefühle ( Überlebensschuld)
können einen hohen Stellenwert bekommen. In all diesen Auseinandersetzungen
fühlen sich die Opfer nach anfänglichem Mitgefühl dann bald allein gelassen.
Angehörige können die mehrfach erzählte
Geschichte nicht mehr hören. Der betroffene Mensch zieht sich von der Außenwelt
zurück. Spannungen belasten die Ehebeziehungen. Der Partner beginnt die
Veränderung des Opfers als beeinträchtigend zu erleben und häufig gehen
Ehebeziehungen in die Brüche.
Durch
die Veränderungen beginnen die sozialen Netze brüchig zu werden, Freunde ziehen
sich zurück, da das Verhalten nicht mehr verstanden wird. Hinzu kommt bei
vielen der zermürbende Kampf um finanzielle Entschädigungen und soziale
Sicherheit. Oft sind Opfer auf Gutachten angewiesen und machen hier die
Erfahrung nicht verstanden zu werden, da sie als neurotisch oder als ohnehin
schon seelisch vorbelastet bezeichnet werden. Kränkungen dieser Art scheinen
ein PTSD zu verfestigen. Im Gegensatz zu den von den Politikern gegebenen
Versprechungen, schnell und ohne Bürokratie helfen zu wollen, wird auf eine penible Schadensaufstellung wert gelegt.
Seelische Verletzungen haben in unserem Entschädigungsrecht keinen Stellenwert.
Besonders kränkend wird die Tatsache erlebt, wenn der Eindruck entsteht, die
Verantwortlichen der Katastrophe vertuschen Kritik an Sicherheitsmängeln und
fahrlässigem Verhalten. Dies war besonders bei den Opfern der Katastrophe von
Ramstein und der Estonia, von Eschede und der Kursk, der Fall. Auf fast allen
Lebensgebieten erfahren die Betroffenen eine Krise der bisherigen
Lebensüberzeugungen. Der Glaube und das Gefühl an die Sicherheit,
Kontrollierbarkeit und Gerechtigkeit bricht zusammen, so manches Mal auch der
Glaube an Gott.
Hinterbliebene
müssen oft tagelang bangen, bevor sie die Todesnachricht erhalten.
Meist
ist es ihnen dann nicht mehr möglich den Leichnam des geliebten Menschen zu
sehen um Abschied zu nehmen zu können. Durch den plötzlichen Tod bleibt in der
inneren Welt der verstorbene Mensch lebend zurück. Wenn visuell der Tod nicht
aufgenommen und dann in die Gefühlswelt integriert werden kann, bleibt der
Wunsch, das der Angehörige noch leben würde stärker, als die Realität. In
diesem inneren Konflikt entsteht ein Vermisstenstatus der ein Gefühl auslöst,
als käme der Verstorbene doch gleich wieder zurück, oder er hätte sich ja doch
gerettet. Nach Ramstein und dem Absturz der Birgenairmaschine in der Dom. Rep.
begegneten mir ältere Menschen,
die es nicht mehr verkraften konnten, dass das geliebte Kind nun nicht mehr
lebt. Sie hatten sich zwei Welten aufgebaut. Die eine Welt lebt damit in dem
Wunsch und in der Hoffnung das Kind komme bald wieder zurück. In der anderen
Welt wird der Tod bewusst aufgenommen. So hatten sich diese Menschen eine für
sich selbst erträgliche Lösung geschaffen, die ein Weiterleben ermöglicht.
Ohne
geeignete Unterstützung entwickeln viele Menschen Symptome komplizierter
Trauer. Dazu gehören über die bekannten Trauerreaktionen hinaus:
Erschwerende Bedingungen der Trauer:
1.
Begleitumstände des Todes
─ Verlust ist
ungesichert
─ Verstorbene
sind nicht auffindbar
─ Verstorbener
ist schwer verunstaltet
─ Verstorbener
hat schwer gelitten
─ Mehrere
Todesfälle in einer Familie
─ Unerwarteter
Tod
─ Tod durch
Suizid, Mord, Gewalt, Vernachlässigung
2.
Lebensgeschichte des Trauernden
─ Komplizierte
Trauerreaktionen in der Vergangenheit
─ Mehrere
Todesfälle in kurzer Zeitspanne
3.
Persönlichkeit des Trauernden
─ Meiden der
Gefühle der Hilflosigkeit
─ Überspielen
mit "Stärke"
─ Ängstigende
religiöse Vorstellungen und Bewertungen
4.
Beziehungen zwischen Trauerndem und
Verstorbenen
─ Hochambivalente
Beziehungen
─ (
Narzisstische) idealisierende Beziehungen in denen eigene Sehnsüchte auf
den Verstorbenen
delegiert wurden und dieser der Erwartung des eigenen
Selbstwertgefühls
dienten.
─ Beziehungen
hoher Abhängigkeit
5.
Soziale Faktoren
─ Verlust wird
im sozialen Umfeld nicht besprochen (Tabuisierung)
─ Verlust wird
sozial negiert, als hätte er nicht stattgefunden
─ Verlusterleben
wird aus sozialer Verpflichtung für andere unterdrückt
─ Fehlende
oder schädigende soziale Netzwerke
( H. Seidlitz überarbeitet nach
H.Littlewood 1992, Determinanten pathologischer Trauer)
Wenn
ein Mensch plötzlich aus dem Leben geht, bricht ein Stück aus der Ganzheit der
Hinterbliebenen heraus. Ständig sind die betroffenen Menschen nun in Gedanken
und Taten damit beschäftigt, die Lücke zu schließen. Dieses gelingt meistens am besten, wenn Sie die verlorene Nähe wieder
herstellen können. Das heißt es ist wichtig den Verstorbenen in der Nähe zu
haben, oder so schnell wie möglich in die Nähe des Unfalles zu kommen. ( Swiss Air, Peggis cove). Danach haben wir die Kultur der Grabpflege entwickelt. Die gewünschte
Nähe des plötzlich Verstorbenen und die noch ausstehenden Gespräche boten
wir den Hinterbliebenen in einer Meditation
an. Hier konnte in entspanntem Zustand
der Kontakt aufgenommen und im geleiteten Text
viele erlösende Gespräche geführt werden.
Dabei
lernten wir, dass der Begriff „Trauerarbeit“
verbannt werden sollte. Er kann Ängste
auslösen, Betroffene fürchten sich vor dieser Arbeit und beginnen sie zu
meiden. Wenn die Trauernden selbst den Prozess als Arbeit bezeichnen, so ist
dieses ihrem Empfinden angemessen.
Das
Wort „loslassen“, dass häufig von außen
therapeutisch verwand wird, löst bei vielen nicht nur Abwehr sondern auch Wut
und Aggression aus. Es entspricht nicht
den eigentlichen Wünschen des Trauernden. Der Trauernde möchte das Andenken
bewahren und fühlt sich in der Trauer dem verlorenen Menschen sehr nahe,
weshalb so mancher die Trauer als ambivalent empfindet. Trauer ermöglicht die
stärkste, mögliche Nähe zum Verlorenen und lässt die innere Welt ganz langsam
auf das Neue sich einstimmen, was nun kommt. Wir haben in der Meditation ein
Schatzkästlein entwickelt, in das all das Wertvolle, was den Menschen mit
Verstorbenen verband, hineingelegt wird. Jederzeit kann dieses Kästchen
geöffnet werden um diesen wertvollen Inhalt anzuschauen. Damit kann eine
Brücke zum Respekt der eigenen inneren
Welt gebaut werden und der Alltag kann langsam eine neue Orientierung finden. Zum Beispiel lässt man sein verlorenes Kind
nicht im Stich. Dieses Gefühl kann entstehen, wenn ein Loslassen verlangt wird.
Nach
größeren Schadensereignissen ist es dringend notwendig einen Ombudsmann einzusetzen.
Opfer
und Hinterbliebene benötigen einen Ansprechpartner, der sie mit allen
Informationen über rechtliche, soziale, finanzielle, psychologische und
seelsorgerische Hilfe versorgt. Diese Stelle muss unabhängig von allen Behörden
und Ämtern sein, aber von diesen gewünscht und unterstützt werden. Zum ersten
Mal wurde diese Idee 1998 von der Deutschen Bundesbahn aufgenommen und mit
Prof. Dr. Ernst Krasney für die Opfer und Hinterbliebenen des Zugunglückes von
Eschede umgesetzt. Die persönliche Ansprache für einen „psychosozialen
Fahrplan“ und eine Gruppennachsorge ist hier von besonderer Bedeutung.
Das
Angebot einer psychosozialen Nachsorgegruppe
für die Bewältigung des Erlebten und der Trauer für die Überlebenden,
Opfer und Hinterbliebenen hat sich in einer Schicksalsgemeinschaft als sehr
hilfreich bewährt.
Die
hieraus entstandenen Schicksalsgemeinschaften und Freundschaften haben nach
Ramstein und Birgenair gezeigt, dass diese Verbindungen sich in gegenseitiger
Unterstützung tragen und ein Fundament bilden, welche der Vereinsamung
entgegenwirkt. Hier ist eine Gemeinschaft, die Verständnis zeigt für jede individuelle
Form der Verarbeitung. Hier wird eine Gemeinschaft erlebt, die zu jeder Zeit
ohne Bewertungen auch noch nach einem Jahr jedem zur Seite steht, wenn die
soziale Umwelt die Normalität wieder verlangt. Aus dieser Gemeinschaft heraus
werden Betroffene motiviert sich der Einzeltherapie anzuvertrauen, wenn dieses
notwendig würde. Im allgemeinen
reichen diese Gruppenzusammenkünfte aus. Die Betroffenen sind normale Menschen,
die durch plötzliche Erlebnisse und Verluste einer veränderten Lebenssituation
gegenüber stehen und brauchen dem zu Folge Unterstützung und Hilfen aber keine
Therapie. Dieses ermöglicht sogar sich als Helfer für andere zu erleben, was
den Selbstwert stärkt und nicht eine Opferhaltung festlegt.
Abschied
nehmen von Toten
Da
die Toten bei Unfällen infolge schwerer
Entstellungen von den Angehörigen oft nicht mehr gesehen werden können,
verzögern die so notwendigen
Trauerprozesse.
Für
das Einsehen von Obduktionsberichten und Fotos besteht keine Rechtsgrundlage.
Angehörigen sollte man nach Wunsch ermöglichen, ihre Toten in geschützter Weise
zusammen mit einer Begleitperson zu sehen und, oder genaueres erfahren zu
lassen. Auch erschreckende, phantasierte Bilder der Angehörigen können
korrigiert werden. Es kann zur Einsicht kommen, dass ein Überleben nicht
möglich war.
Für
Hinterbliebene ist die aktive Beteiligung an der Gestaltung von Gedenkstätten
und Gedenkfeiern mit Ritualen von besonderer Bedeutung. Häufig werden die
betroffenen Menschen von Politikern bevormundet. Andere übernehmen die Verantwortung. Die
Wünsche der Hinterbliebenen sind meist anders.
Neue seelische Wunden werden durch zu schnelles Handeln verursacht. Hier
ist es für den Trauerprozess und die Bewältigung von Schuldgefühlen wichtig
eigene Aktivitäten zu entwickeln um eine
Beziehung zur zukünftigen Gedenkstätte entwickeln zu können.
Bei
Birgenair nannten wir es, „die Gedenkstätte zu beseelen“.
Auch
wenn im sozialen Umfeld vieles
unverständlich erscheint, so ist es für Helfer und Begleiter wichtig,
mit Respekt und Wertschätzung die betroffenen Menschen in ihrer eigenen Art und
Weise der Bewältigung zu unterstützen
und jedem seine persönliche Art zu lassen mit dem Verlust zu leben.
Nach
12 Jahren Erfahrung in der Begleitung u.a. von Katastrophenopfern des Flugtagunglückes
von Ramstein (
Neben
körperlich traumatisierten Opfern ( Ramstein) stellen die psychisch Traumatisierten durch die noch
mangelnde Weiterbildung von eigentlich dafür prädestinierten Fachkräften und
die daraus resultierenden ungenügenden oder sogar schädigenden Hilfsversuche
ein oft erhebliches Problem dar.
Symptome der Post –Traumatischen - Belastungsreaktion (PTSD) werden
anderen psychischen Störungen und Erkrankungen zugeordnet und dann gelegentlich
über Jahre in für die Betroffenen verhängnisvoller Weise behandelt. Akustische
Halluzinationen mit eindeutig Flashbacks zuzuordnenden Symptomen wurden
jahrelang als
schizophrene
Psychose mit Neuroleptika therapiert. Dabei wurde ein Trauma, von dem die
Patienten immer wieder berichten wollten, nicht erkannt und gewürdigt. Es
mangelt an hilfreichen Haltungen von Vorgesetzten, Kollegen und Partnern, weil
die Folgen und die Zusammenhänge mit traumatisierenden Ereignissen nicht
bekannt oder bagatellisiert werden und unsere leistungsorientierte Arbeitswelt
mit noch deutlicher Hierarchie vor allem in Polizei und Feuerwehr abweichendes
Verhalten nicht akzeptiert.
Trauma
Definition:
Trauma
ist eine unvorbereitete, plötzliche, über den Menschen hereinbrechende,
höchstmögliche Konfrontation mit der Endlichkeit des Seins. Die Reizüberflutung
führt zur Blockierung der Gefühle und des Bewusstseins. Zu unterschiedlichen
Zeiten können die Erinnerungsspuren der Sinne und Gefühle ins Bewusstsein
gelangen. Je nach Veranlagung und individueller Lebensgeschichte resultieren hieraus unterschiedliche Beeinträchtigungen bis hin zum
Krankheitswert.
(
Dr. H. Jatzko, Sybille Jatzko, 1997, neu 2001)
Ein
traumatisches Ereignis ist eine seelische Verletzung. Der betroffene Mensch hat
eine neue Erfahrung gemacht, und kann nun vieles was in ihm selbst passiert ist
kaum begreifen. Die Betroffenen fühlen
sich wie seelisch taub. Die nun langsam wiederkehrenden Gefühle und
Körperempfindungen sowie die psychomotorische Unruhe werden häufig als
bedrohlich erlebt, und lassen den Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen.
In der Zeit nach dem Trauma kommen ungewollt Bilder, Geräusche ( können auch Stimmen sein), Gerüche, Geschmack,
Hautgefühle, Schmerzen und andere Empfindungen und Gedanken ins Bewusstsein. Sie erinnern an das Trauma,
obwohl der betroffene Mensch versucht, sie beiseite zu schieben. Viele haben
das Gefühl sich nicht mehr in den Griff zu bekommen. Ihr Leben wird von dem
Ereignis bestimmt.
Es
ist uns wichtig Trauma
und Belastung deutlich zu unterscheiden.
Die
Behandlung und die Konsequenzen müssen unterschiedlich sein. Gutachter weisen
oft Lücken im neuesten Wissenstand auf.
Ein Trauma ist ganz wesentlich von der neu gemachten Erfahrung geprägt,
die außerhalb des bisher Üblichen liegt.
Trauma
ist die Verletzung des Netzwerkes der Seele, welches zu unterschiedlichen
„Narben“ und dauerhaften Beeinträchtigungen führen kann, je nach schwere dieser
Verletzung. Dieses entspricht einer körperlichen Verletzung, d.h. es führt zu
einer dauerhaften hirnorganischen Veränderung. Die Funktion ist an das Organ
(Gehirn- Netzwerk) gebunden und sollte nicht mehr unterschieden werden!
Der
Unterschied zwischen Trauma und Belastung liegt im Mitbetroffensein des vegetativen
Nervensystems, das seinerseits autonom reagiert. Die traumatische
Reizüberflutung wurde in tieferen Hirnregionen abgespeichert. Das
Sprachzentrum, sowie die bewusste Wahrnehmung wurden blockiert. Diese
traumatische Reizüberflutung, die ihrerseits einen Überlebensmechanismus
auslöst, der ohne notwendigerweise das Bewusstsein gesteuert wurde, ist nun als
neue Erfahrung verankert und kann durch Reizauslöser ständig ausgelöst werden.
Bei
einer Belastung
wird nach dem Erinnern oder Denken immer wieder daran (also durch Stimulation
aus der Großhirnrinde) auch eine vegetative Reaktion ausgelöst. Diese Reaktion
steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gedachten und kann normalerweise
von den betroffenen Menschen nachvollzogen und beeinflusst werden.
Bei
einem traumatischen
Erlebnis reagiert das vegetative Nervensystem durch Stimulation
aus dem Hypocampus zeitweise völlig selbständig, ist nicht über das bewusste
Denken zu steuern und kann schlecht zugeordnet werden. Die Selbstsicherheit
geht verloren. Für die Betroffenen verändert sich die Wahrnehmung in dieser
Welt. Sie müssen über Fürsorge, Achtung und Würdigung eine neue Lebenssicherheit
finden.
Ein Verarbeitungsversuch der Großhirnrinde
geschieht in Träumen. Aus tieferen Hirnkernen kommen die sehr belastenden
Alpträume mit Schweißausbrüchen.
Ein
Gefühl der
Gefahr bleibt zurück. Betroffene fühlen sich ständig
angespannt, und müssen wie ein Reh „auf der Hut sein“. Das Vertrauen in ein
gütiges Schicksal ist verloren gegangen. Wir nennen es Verlust des
Urvertrauens.
Das
Wiedererleben
ist in der akuten PTSD Phase eine außergewöhnliche Belastung. Diese
Belastung ist zum Teil so groß, dass Opfer Angst entwickeln schlafen zu gehen,
denn in der Entspannung kommen die inneren Bilder. Diese können so unerträglich
werden, dass nur noch im nicht mehr dasein eine Erlösung hiervon gewünscht wird.
Auch die Selbstmedikation
mit Alkohol führt zu weiterer körperlicher, psychischer und sozialer
Beeinträchtigung. Wir geben, um
möglichst schnell die Angst vor dem Schlafengehen zu verlieren, Zolpidem,
z.B.Stilnox. hier können die Betroffenen dann 4 Stunden schlafen und so manchem
genügt diese Zeitspanne erst einmal um ein klein wenig Erholung zu finden.
Um die akuten inneren Bilder etwas beiseite
schieben zu können, haben wir zu diesem Zeitpunkt auch das EMDR mit den Opfern
versucht und es Ihnen gezeigt.
Ein
Mann nach einem Banküberfall, der als Geisel genommen wurde, kam zu uns in die
Traumagruppe. Er berichtete über das EMDR, "ich konnte etwas tun. Es gab
mir das Gefühl diesen inneren Bildern nicht völlig ausgeliefert zu sein.“
Gerade
bei länger zurückliegenden Traumata, die keine vordergründigen
Beeinträchtigungen erzeugten, können Reizauslöser wieder das Vollbild wie bei
einer akuten Post Traumatischen Belastungsreaktion
hervorbringen.
So manches Mal erleben wir Symptome
heftigster Beeinträchtigung nach einem erneuten Vorkommnis, dass eine frühere
ähnliche Traumatisierung aktiviert, aber als weiteres Trauma –Ereignis ( Re-.
Traumatisierung) betrachtet werden muß.
Die
körperliche
Erregung bleibt
bestehen. „ Unter Strom stehen“.
Die
innere Welt befindet sich ständig im Zustand der höchsten Erregung, als müsse
der Betroffene ständig fliehen.
Die Vermeidung der auslösenden Reize ist in der akuten
Phase eine wichtige Entlastung. Dieses Verhalten kann mit einem Beinbruch
verglichen werden, wo das Bein erst nach dem Zusammenwachsen wieder belastbar
wird. So kann die Seele erst nach einer Vermeidung und Beruhigung wieder
langsam Belastungen zugeführt werden. Die Ermöglichung der Vermeidung ist eine
Fürsorgepflicht, vermeiden ein Menschenrecht!
Hier
ist besonders herauszuheben, dass bei einer Belastungsreaktion eine Konfrontation
hilfreich ist, um das Erlebte zu verarbeiten. Vermeidung kann hier zu einer
neurotischen Entwicklung führen. Bei traumatischer Belastungsreaktion wird
durch Konfrontation der Traumaweg verfestigt, und damit eine Chronifizierung
eingeleitet. Die Vermeidung, die akut von den Traumatisierten gewünscht wird,
gehört zur Menschenwürde, die geachtet
werden muss.
Die Gefühlstaubheit/ Niedergeschlagenheit sind deutliche Zeichen eines
Traumas. Diese Gefühle sind Ausdruck eines
„psychogenen Schocks“. Sie treten auch in einer akuten Belastungssituation auf.
In einer traumatischen Situation sind innerhalb der völligen Reizüberflutung
und Blockade des Bewusstseins manchmal Empfinden vorhanden, wie Ekel oder
Hilflosigkeit. Dieses wird dann mit dem traumatischen Erleben verbunden und
programmiert. Das nur Gehörte( wie die Nachricht vom plötzlichen Tode eines
Angehörigen) wird wie durch den Schutzfilter der Seele aufgenommen. Trauer ist
kein Trauma. Zum Trauma gehört das Erleben.
Die Konzentrationsschwierigkeiten sind üblich
nach traumatischem Erleben und haben je nach schwere des Traumas erhebliche
Auswirkungen für den betroffenen Menschen. Das Erstellen einer aktuellen
Landkarte ist gestört.
„
Nach dem Einkaufen komme ich aus dem Kaufhaus und weiß nicht mehr, wo ich bin.“
Viele der Ramsteinbetroffene berichten auch nach 12 Jahren noch über diese
Konzentrationsschwierigkeiten.
Kontrollverlust ist ein besonderes Symptom des Traumas. Die Selbstbestimmung
geht verloren. Die betroffenen Menschen
fühlen sich von den Auswirkungen des Traumas bestimmt. Alles was vor dem Trauma
normal zu regeln war, gilt nach diesem Ereignis nicht mehr. Hier ist das
Kennenlernen der Reizauslöser wichtig, und bei zunehmender Kenntnis kehrt etwas
Sicherheit zurück. Waffenträger oder Lockführer können zu einem
Sicherheitsrisiko werden.
Schuld- Schamgefühl, treten nach einem Trauma schneller auf
als nach einer Belastung. Gerade die Hilflosigkeit, die eine häufig erlebte
Gefühlsqualität bei Trauma ist, löst ein tief liegendes Schuldgefühl aus.
Dieses Schuldgefühl ist ebenso häufig anzutreffen, wenn andere Menschen ums
Leben gekommen sind, der Betroffene aber selbst überlebte.
(
Überlebensschuld)
Beispiel: Ein Flugtagsbesucher von Ramstein
fühlt sich schuldig, weil er seinen Bruder und seinen Vater mitnahm und diese
ums Leben kamen.
Beispiel:
Eine junge Frau, die das Zugunglück von Eschede überlebt hatte sagte“: Ich kann
doch nicht für 101 Menschen leben.“
Ärger ist nach dem traumatischen Erlebnis eine häufige
gefühlsmäßige Reaktion.
Dieser
Ärger zeigt eine geringere Belastbarkeit an, die nach einem Trauma bei den
Betroffenen vorhanden ist. Diese Veränderungen der Person sind sehr belastend für sie selbst, und auch eine
große Belastung für die Ehe. Der Partner kann
diese Veränderung nicht nachvollziehen.
Die Trennung von Beziehungen ist häufig das Ende der
Auseinandersetzungen. Wir haben gelernt, dass sehr schnell nach einem
traumatischen Erlebnis der Partner mit einbezogen werden muss. Durch das
Verstehen und Aufklären konnten wir den Partner zu einer wichtigen Stütze innerhalb
der Bewältigung werden lassen.
Der Ärger tritt auch besonders dann auf, wenn
eine Institution nicht ihrer Fürsorgepflicht nachkommt. Der Einsatz für und die
Identifikation mit der Institution hat zur Folge, dass eine Fürsorge erwartet
wird. Der Vorgesetzte ist der menschliche Vertreter der Institution, und trägt
deshalb eine besondere Verantwortung. Fehlt diese Achtung und Wertschätzung,
gerät der Betroffene in fast nicht
lenkbarer Wut. Diese Wut hält dann das traumatische Erlebnis aufrecht.
Das Selbstbild ist nach einem traumatischen Erlebnis gestört. Die Veränderung der Persönlichkeit kann nur
schlecht angenommen werden. Es besteht der Wunsch so wie vor dem Ereignis zu
sein.
Misstrauen entsteht aus dem Gefühl der Unsicherheit und dem Erleben der
ständigen Gefahr.
Dieses Gefühl kann sich auf vieles ausweiten. Das Vertrauen in ein sicheres Schicksal ging verloren. Es ist nun nicht mehr selbstverständlich, am Leben zu sein.
Die Erinnerungen an vergangene traumatische
Erlebnisse kommen mit einem erneuten traumatischen
Erlebnis auch ins Bewusstsein, obwohl es
schon Jahre zurückliegt.
Es
ist, als wäre ein Hirnspeicher mit dem erneuten Erleben geöffnet worden, diese
Erinnerungen können dann detailgetreu wiedergegeben werden, genauso wie das
neue Erlebnis. Es ist wie auf der „Festplatte“ gespeicherte, und wird mit dem
erneuten Trauma abgeglichen.
Belastungen werden im
Laufe von Jahren mit neueren Erfahrungen verknüpft verändern sich und nehmen an
Intensität ab.
Nicht so die traumatischen Erlebnisse, sie verknüpfen sich nicht mit dem neu Erlebten
und können dadurch nicht verarbeitet werden. ( Auschwitz)
Mit betroffenen Menschen, die ein
traumatisches Erlebnis überstanden haben, ist in Zukunft deutlich anders
umzugehen, wenn wir langfristige Erkrankungen vermeiden wollen.
Wenn
Menschen darüber nicht sprechen, ist die Geschichte noch lange nicht verarbeitet,
und erst recht nicht, wenn „ ja schon so viele Jahre vorbei sind.“
Die
Schwerverletzten erfahren oft Monate lang die körperliche Wiederherstellung in
den verschiedensten Krankenhäusern. Nach den Krankenhausentlassungen kehrt
meist Ruhe ein. Das ist die Zeit, wo die Seele
den alten Zustand wieder herstellen möchte. Bald erleben sich die
Opfer doppelt gestraft, denn nach dem
Wiedererlangen der körperlichen Beweglichkeit wird häufig davon ausgegangen,
dass die Seele sich auch beruhigt hätte.
Die körperlichen Beschwerden haben oft
die seelischen Schmerzen überdeckt.
Opfer beschreiben ihr seelisches Befinden mit dem Satz: " Nichts ist wie
es einmal war." Das bedeutet, dass alles durcheinandergeraten
ist. Jetzt müssen im Leben neue
Orientierungen gefunden werden. Die Lebenssicherheit ging verloren. (
Urvertrauen).
Die
Angehörigen können häufig die mehrfach erzählte Geschichte nicht mehr hören,
und der betroffene Mensch zieht sich von der Außenwelt zurück. Wenn der Zustand
der Veränderung länger anhält, beginnen die sozialen Netze brüchig zu werden. Freunde
ziehen sich zurück, da das Verhalten und die Veränderungen nicht mehr
verstanden werden. Hinzu kommt bei vielen der zermürbende Kampf um finanzielle
Entschädigungen und soziale Sicherheit. Oft sind Opfer auf Gutachten angewiesen
und machen hier die Erfahrung nicht verstanden zu werden, da sie als neurotisch
oder als ohnehin schon seelisch vorbelastet bezeichnet werden. Immer wieder
werden neue Gutachten in Auftrag gegeben und dadurch kann das Opfer nicht zur Ruhe kommen. Kränkungen dieser Art scheinen ein (PTSD)
erst so richtig zu verfestigen. Im Gegensatz zu den von den Politikern
gegebenen Versprechungen schnell und ohne Bürokratie helfen zu wollen, wird
auf eine penible Schadensaufstellung
wert gelegt. Seelische Verletzungen haben in unserem Entschädigungsrecht keinen
Stellenwert. Auf fast allen Lebensgebieten erfahren die Betroffenen eine Krise
der bisherigen Lebensüberzeugungen. Der Glaube und das Gefühl an die
Sicherheit, Kontrollierbarkeit und Gerechtigkeit bricht zusammen, so manches
Mal auch der Glaube an Gott.
Beispiel der Traumabehandlung durch eine Gruppe.
In
der Nachsorge für die kleineren Katastrophen, wo Menschen durch ein außergewöhnliches
Ereignis eine seelische Verletzung erlitten haben, gründeten wir in der VHS
eine Traumagruppe mit 18 Teilnehmern und erleben diese Gruppe als sehr hilfreich.
Die
verschiedensten Berufszweige sind hier anwesend. Lokführer, Bankangestellte,
Betroffene nach Verkehrsunfällen Feuerwehrmänner, Polizeibeamte,
Kriminalpolizei, Kassiererinnen, Rettungsassistenten.
Die
Betroffenen berichten nach 2 Semestern Zusammenkunft von folgenden Vorteilen:
1.
In der Gruppe erfahren sie das erste mal nach dem Ereignis von anderen Betroffenen, dass ihre
Veränderungen genauso oder sehr ähnlich erlebt wird.
2.
Aus dem anfänglichen Gefühl nicht
sprechen zu können oder sich innerlich nicht konfrontieren zu wollen, entsteht
langsam ein Auftauen, wenn jeder sein eigenes Tempo entwickeln darf und zu
nichts gedrängt wird.
3.
Im Zuhören von anderen Erlebnissen und
Schicksalen vergleicht der Betroffene seine eigenen inneren Erlebnisse. Die
Unterstützung, dass jeder sein eigener Experte ist, ermöglicht ein Vertrauen in
sich und andere.
4.
Da diese Gruppe offen ist und jederzeit
akut Betroffene hinzukommen dürfen, entstand der Ritus sich jedes Mal wieder
vorzustellen. Das ließ uns die Erkenntnis gewinnen, dass die immer wieder neu
erzählte Geschichte mit neuen Details ergänzt wurde. Nach dem 5. oder 6. Bericht kam die
Rückmeldung: „es ist nicht mehr so
schlimm.“ Die belastende Spannung, ausgelöst durch die inneren Bilder, nahm
mit der Häufigkeit des Berichtens ab. Da dieses eine Form der inneren
Konfrontation ist, kann mit dem immer wieder Erzählen das eigene Tempo gewählt
werden.
5.
Da viele ein Misstrauen gegenüber
Menschen erleben von denen sie sich nicht verstanden fühlen, baut sich in der Gruppe ein neues Vertrauen auf. Dieses
gibt mehr Sicherheit auch außerhalb der Gruppe. Da im Umfeld die seelische
Wunde nicht gesehen wird, müssen sie sich ständig rechtfertigen. In der Gruppe fühlen sie sich verstanden. Das
entlastet sie sehr.
6. Im Berufsleben, wo ein Weiterführen des Berufes durch das Trauma nicht mehr möglich ist, können die Betroffenen nicht sagen, dass es ihnen wieder gut geht.
( Lokführer) Es wird nicht verstanden, dass sie in der eingeschränkten Dienstfähigkeit
nicht mehr fahren zu müssen eine Entlastung erfahren, und die Seele sich durch diese
Sicherheit erst wieder erholen kann. Wenn sie berichten, dass es ihnen wieder gut
geht, werden sie dazu gedrängt, das zu tun, was nicht mehr möglich ist.
7.
Das Trauma lässt eine Erinnerung an des Erlebten nur bruchstückhaft zu. Diese Menschen
beschreiben, dass die Schilderungen anderer Gruppenmitglieder ihre eigenen
Erinnerungen, die sie als versteckt erleben, anstoßen. Diese gelangen dann ins
Bewusstsein und können in den Verarbeitungsprozess integriert werden.
8.
Der Verlust der Lebensqualität wird in
der Gruppe besser kompensiert, da hier neue Qualitäten entdeckt und gefördert
werden.
Behandlung der Post Traumatischen Belastungsreaktion..( PTSD)
Was
hilft traumatisierten Menschen?
Kann
man Trauma verarbeiten oder bewältigen?
Allgemeingültige
und gesicherte Methoden zur Behandlung der PTSD gibt es noch nicht.
Das
Therapieziel traumatisierter Menschen ist, die permanenten Flashbacks, die
immer wiederkehrenden Gedanken und Bilder des Traumas zu vermindern. Ebenso die
Selbstbestimmung und Kontrolle über sich
wiederzugewinnen, und das Trauma
als ein Schicksalserlebnis in die Lebensgeschichte zu integrieren.
EMDR ( Eye
Movement Desensitization
and Reprocessing) ( Augen- Bewegungs-
Desensibilisierung und Verarbeitung) von Francine Shapiro, ist eine bisher in
verschiedenen Studien erprobte Behandlungsform, die ein recht gutes Ergebnis
vorweisen kann.
(
z.B. Wilson, Tinker & Becker 1995, Vaughan et al.1994a; Vaughen, Wiese,
Gold & Tarrier 1994b).
Die
inneren Bilder können durch dieses Verfahren vermindert werden.
Traumata,
die innerhalb der beruflichen Tätigkeit erlitten werden, beginnen dann
chronisch zu werden, wenn die Vorgesetzten ihrer Fürsorgepflicht nicht
nachkommen. Werden die Betroffenen nicht verstanden, löst das eine solche Wut
aus, dass die Betroffenen häufig Ihren Beruf aufgeben und einen neuen wählen müssen. Hier beginnt oft erst die
Behandlung, eine Unterstützung und Anerkennung des erlittenen Traumas. Die
Konfrontation mit den Intrusionen kann
erst dann mit dem Betroffenen vorgenommen werden, wenn eindeutig die
Persönlichkeit über eine ausreichende Stabilität verfügt, und der Betroffene
hierbei den Weg der Konfrontation mitbestimmt. Häufig wird in der
psychologischen Unterstützung nicht gewusst, dass das Trauma eine
hirnorganische und hormonelle Veränderung verursacht hat. Es kann bei
unsachgemäßer Anwendung der Konfrontation eine Re-Traumatisierung und eine
Verschlechterung des Zustandes verursacht werden.
Es
ist besonders notwendig, traumatisierte Menschen aufzuklären, was Trauma ist
und was mit ihnen geschieht. Ohne diese Aufklärung entsteht manchmal eine
zusätzliche Angst verrückt zu werden. Die Veränderungen der Persönlichkeit, die
durch das Trauma entstehen, können durch eine einfühlsame Aufklärung besser
angenommen werden. Aus diesem Grunde haben wir eine Aufklärungsschrift für
Patienten und Angehörige verfasst. Es gelingt den Betroffenen besser ihre
Beeinträchtigungen auszudrücken. Sie nehmen an, dass sie in ihrer Not
verstanden werden.
Eine
Psychotherapie, die versucht psychoanalytisch, die Vorgeschichte des
Traumatisierten als Ursache für seine körperlichen und seelischen Störungen zu
sehen, nimmt dem Betroffenen die früher bestandene Sicherheit, ( welcher Form auch immer) die zum Wiederaufbau emotionalen
Vertrauens von großer Bedeutung ist. Außerdem hat die Vorgeschichte nur im
Sinne der bis dahin gelernten Bewältigungsverfahren ( Coping)
einen Stellenwert.
„Die
Art und Weise, wie Opfer eines Traumas behandelt werden, ist häufig ein
Indikator für die Haltung einer Gesellschaft bezüglich des generellen
Wohlergehens ihrer Bürger im allgemeinen.“ ( Zitat aus
Traumatic Stress, Bessel A. van der Kolk, Junfermann 2000)
kommen die alten Bilder,
obwohl du sie nicht gerufen hast.
Dann kehrt wieder Traurigkeit
in dein Herz zurück,
und in dieser Traurigkeit,
obwohl sie dich belastet, befindet sich
Wärme
Die dich mit dem Verstorbenen
verbindet und du fühlst dich ganz nahe.
spürst du neben dieser
Traurigkeit Sehnsucht nach diesem Menschen
und beschwert das Herz.
Dann tauchen immerwieder die
Fragen auf, warum, wie, wieso,
und du holst die Bilder
hervor,
gehst immerwieder die
Vergangenheit in Gedanken durch,
warum gerade mir?
kommen Tage, da bist du
abgelenkt und denkst nicht mehr daran
Was geschehen war, fühlst dich
ein wenig freier und erschrickst dich.
Freude gibt. Darfst du das
schon?
Vielleicht
beginnt die innere Welt zu vergessen, aber das willst du nicht.
begreifst du, dass es ein
Wandel in dir ist.
Langsam spürst du, die Seele
vergisst nicht,
Die Gedanken haben alles genau
aufgezeichnet.
Aber das beginnende Wohlfühlen
geschieht mit dem Einverständnis des
Verlorenen;
Langsam darfst du
lernen, ohne das Verlorene zu Leben.
Manchmal...............Manchmal................Manchmal.............Manchmal.
(Aus
einem Traum heraus von Sybille 1998 so aufgeschrieben.
●
Ein Ehepaar hatte am Flugtag Ramstein seine 4-jährige Tochter verloren, ihr einziges Kind. Sie waren selbst
brandverletzt in unsere Klinik gebracht worden. Ein amerikanischer Soldat riss
dem Vater die Tochter, die durch die Verbrennung erblindet war und nach ihm
schrie, aus den Armen. Nach Monaten sollten sie dann in einer Fachklinik ihre
"Trauerarbeit leisten". Dass ihr Sinn im Leben verloren war, wurde
nicht ernst genommen. Sie hielten es nur 8 Tage dort aus. Es fehlte die
einfühlende, barmherzige Wärme eines Menschen in der Trauer, die den Eltern
hätte Hoffnung auf Begleitung bedeuten können. Die beiden schwer leidenden
Eltern versuchten gleichermaßen durch ablenkende Aktivität das Leben wieder
anzupacken. Ein erneuter Unfall der hinterbliebenen Mutter erzeugte
Krampfanfälle. Der brandnarbenveränderte Vater arbeitete wieder. Das Leben
wollte aber nicht mehr zurückkommen. 9 Jahre nach der Katastrophe entwickelte
er einen Lungenkrebs und wurde mit den heute üblichen Verfahren, wie Operation,
Bestrahlung und Chemo-, behandelt. Die Bilder der schwerstverletzten kleinen
Tochter mit den ausgebreiteten, nach den Eltern suchenden Ärmchen, kommen bei
beiden in den Alpträumen, als Einladung zu ihrem Engelchen zu kommen,
immerwieder vor. Diese Eltern kamen nur selten in unsere Nachsorgegruppe. Sie
waren zugewandt freundlich aber nicht wirklich erreichbar, sagen Mitglieder der
Schicksalsgemeinschaft. Er starb im Dezember 2000 mit 49 Jahren. Diese
"Verschweißung in der Trauer" haben wir mehrmals erlebt.
● Ein Onkel
fuhr mit seinem 15-jährigen Neffen zum Flugtag. Der Junge kam nicht wieder. Er wurde als Letzter
identifiziert. Schwere Schuldgefühle plagten den Onkel, weil er ihn mitnahm und
ihn nicht beschützen konnte. Niemand machte ihm Vorwürfe. Er zog sich infolge
des traumatischen Erlebnisses von der Umwelt zurück. Der Vater, sein Bruder
entwickelte eine schwere Alkoholphase, die zu einer ernsthaften Ehekrise
führte. Darin verbot er, dass das Zimmer des Sohnes auch nur angerührt werde.
Alles sollte so bleiben, wie er es verlassen hatte. Die Mutter und der 10-jährige Bruder wollten
aber eine Veränderung, der Bruder das Zimmer für sich haben. In der Gruppe
erfuhren alle Drei, dass es anderen ähnlich
ging. Der Alkohol wurde wie ein
Medikament vom Vater gegen die für ihn unerträgliche Trauer eingesetzt.
Unter Alkohol wurde es ihm leichter. Die
Aufforderung und die Erlaubnis von anderen Betroffenen heftig und erschöpfend
auch am Grab zu trauern, erleichterte. Sie begannen eine Ehepaartherapie, die
ihnen sehr half. Der Vater bestand eine Umschulung und wird nun in einem neuen
Beruf wohl Erfüllung finden. Die
hinterbliebene Mutter machte ebenfalls eine Ausbildung. Sie sind durch die
unterschiedliche Trauer selbständiger geworden, was sie als Ehepartner auf eine
befreiende, die Abhängigkeit lösende, reifere Art zueinander brachte. Beide
wurden dann zu Helfern und kamen mit zu dem ersten Treffen nach dem
Birgenairabsturz.
● R. verlor in
der Dominikanischen Republik ihre 2 kleinen Kinder und ihren Mann. Sie hatten
zuvor eine Ehekrise. Für die vor Weihnachten gebuchte Flugreise bekam sie
keinen Urlaub, weil es der angespannte Dienstplan im Krankenhaus, wo sie als
Schwester arbeitet, nicht erlaubte. Sie protestierte nicht, sondern war
heimlich froh, dass sie nicht mit musste. Dafür büßt sie nun mit schweren
Schuldgefühlen, denn das hat sie nicht gewollt. Gerade sie wird durch ein
schlechtes Gewissen immerwieder zurückgeholt, wenn sie
mit ihrem neuen Freund wieder glücklich sein möchte. Dieses erlaubt ihr
nach dem schrecklichen Verlust (noch ?) keine
neuen Entscheidungen. In dem Konflikt
raucht sie sehr stark und gefährdet ihr Leben
wie in einer Buße.
● Zum zweiten
Nachsorgetreffen in Erfurt kamen unter anderem auch ein älteres Ehepaar, die
vier Angehörige verloren hatten. Für die Frau war es wichtig zu kommen, ihr
Mann war jedoch sehr versteinert und verbittert. Er antwortete mit sehr viel
Wut und wollte sowieso nicht mehr
kommen, da es ja keinen Sinn mehr hat. Gleichzeitig waren 4 Jugendliche anwesend,
die ihre Eltern verloren hatte. Die älteste war 19 dann kamen ein
Zwillingspäarchen mit 17 und ein Junge mit 9 Jahren. Alle diese 4 Kinder
wollten zusammen in dem Haus bleiben. Das Jugendamt hatte sich eingemischt und
wollte den 9 Jährigen in ein Heim geben. Die 4 wollten nun dagegen ankämpfen.
Hierzu brauchten sie die Unterstützung der anderen Betroffenen. Besonders
setzte sich nun der ältere Herr ein, der seine Wut nun auf das Jugendamt lenkte
und so mit viel beratender Kraft den Jugendlichen half, damit sie zusammen
bleiben konnten. - Diese Lösungen finden Menschen in einer
Schicksalsgemeinschaft selbst heraus.
Für den Herrn war es ein neues
Lebensziel, wenn auch nur für einen
Augenblick. So kam er doch aus seiner Depression heraus und wurde ein beratender
Großvater und ist es heute noch.
● B. verlor
bei einem Flugzeugabsturz in Australien seine Frau und sein 4- jähriges Töchterchen. Er war der einzige
Überlebende. Sein rechter Arm und sein rechtes Bein waren verbrannt. In einer
modernen Verbrennungsklinik hätte er kaum eine Überlebenschance gehabt.
Ureinwohner fanden ihn, wickelten ihn in vermutlich antibiotisch wirkende
Blätter und gaben ihm viel zu trinken. Erst nach 3 Wochen wurde er in eine
Klinik geflogen. Danach erfuhren es seine Eltern in Deutschland, die dann 5
Monate kostenlos an seiner Seite bleiben durften ( bei uns, wo auch im
Krankenhaus nur noch das gemacht wird, was sich rechnet, nicht mehr
vorstellbar. B. ist heute, 11 Jahre nach dem Unglück wieder verheiratet. Seine
Frau brachte eine Tochter mit, die er nun als seine eigene, als ein Geschenk
annimmt. Sein Leben hat sich langsam gewandelt, es kam wieder, aber seine Seele
vergisst nicht. Er hat in
Träumen das Einverständnis seiner verstorbenen Frau und seines Kindes bekommen
und das hat ihn erst fähig gemacht, ein zweites Leben anzunehmen.
Auf seinem kleinen Schiff, das er sich als
Computerfachmann leisten kann, beginnt er sich mit seiner neuen Familie wohl zu
fühlen.
Wer seine Eltern verliert - verliert seine Vergangenheit
Wer sein Kind verliert - verliert seine Zukunft
Der
Volksmund hat nicht recht, dass die Zeit alle Wunden
heilt.
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, sie lindert nur den Schmerz
Und manchmal trübt sie die Erinnerung.
Die Zeit heilt keine Wunden, aber Wunden die heilen brauchen Zeit,
Ein Beispiel eines Fragebogens, der von den
Birgenair Hinterbliebenen ausgefüllt wurde.
1)
Was waren es für Beeinträchtigungen/Beschwerden und wie haben sie sich
ausgewirkt:
(Körperlich, seelisch, sozial )
Körperlich und seelisch stand ich voll
neben mir. Ich konnte die einfachsten Sachen nicht
mehr erledigen, wie vorher. Ich stand
ganz schön unter Schock und war sehr
aufgeregt.
2)
Nach welcher Zeit (Stunden, Tage, Wochen, Monate) nach der Katastrophe
traten die
Beeinträchtigungen auf?
(Körperlich, seelisch, sozial)
Der Schock trat kurz danach auf, als ich
von dem Unglück erfuhr. Genau so wie die
anderen Beeinträchtigungen.
3) Wie lange
dauerten, bzw. dauert die Beeinträchtigung an?
(Körperlich, seelisch, sozial)
Der Schock dauert ca. 1 Monat oder so,
es ging dann in ein nicht Begreifen über, dass
eigentlich bis heute noch andauert. Auch
jetzt noch nach 2 Jahren nach dem Unglück
bin ich bei Sachen und Angelegenheiten,
die die Sache betreffen sehr aufgeregt. Ich
kann auch manchmal keinen klaren
Gedanken fassen. Außer das Nachsorgetreffen, das
hilft mir sehr, alles zu verarbeiten.
4)
Was erlebten Sie während der Krise als erschwerend, als zusätzlich
belastend?
(Körperlich, seelisch, sozial)
Die Bewältigung der Behördengänge. Das
ich auf mich allein gestellt war und von der
Regierung keine Hilfe und Unterstützung
bekommen habe ( z.B. Anträge,
Sterbeurkunde). Wie oder was zu tun
war, habe ich von den Medien und aufmerksamen
Freunden erfahren. Sogar die Behörden
wussten über vieles nicht Bescheid. – wie die
Sterbeurkunde.
5) Wenn sie
an der Nachsorge teilgenommen haben, welchen Stellenwert hatte diese in
der
Bewältigung ?
(Körperlich, seelisch, sozial)
Die Nachsorge hat einen sehr
großen Stellenwert für mich. Ihr seid so lieb zu uns. Ihr
hört uns zu, was wir für Probleme haben, wie
wir uns fühlen. Ihr gebt so viel Kraft in
die Gruppe und das tut mir gut. Bei Euch fühle ich mich verstanden, was im
privaten
Leben nicht überall der Fall ist. Es
tut mir gut mit gleich Betroffenen und Euch zu
sprechen. Das ist ganz wichtig. Es ist ein schreckliches
Schicksal, was uns alle
zusammengeführt hat, aber für mich ist
es jetzt wie eine große Familie, mit der ich mich
gerne treffe, um zu reden. Wir haben
alle jemanden verloren und das tut sehr weh. Aber
wir haben uns und somit auch neue
Freunde dadurch gefunden, die alle gleich fühlen.
Dass kann zwar nicht den Schmerz
nehmen, aber helfen, ihn ein wenig besser zu
verarbeiten. Vielen Dank an Euch!
Organisation und Leitung einer Nachsorgegruppe
─ Zeitpunkt der Gruppenbildung ( möglichst schnell
nach einem Ereignis)
─ Aktives Zugehen auf die Betroffenen
─ Einladung zur Teilnahme an einer geleiteten
Nachsorgegruppe
(Schicksalsgemeinschaft)
─ Gruppenzusammensetzung
─ Äußere Gruppenstruktur ( Termine,
Häufigkeit, Dauer, Zeitrahmen, Ablösung und
Beendigung der professionellen
Betreuung, Äußerer Rahmen und Umgebung,
Finanzierung)
─ Innere Gruppenstruktur
(steuern des Gruppenprozesses, Themen, Gruppenregeln,
Untergruppenbildungen.
)
─ Informationsaustausch für alle Betroffenen für alle Belange der
Geschädigten, woraus
sich
Interessengemeinschaften bilden. ( Information über die Todesumstände,
Aufklärung über das Katastrophengeschehen, Informationen über Umgang mit
Behörden, Medien etc., Interessenvertretung, die der Bewältigung dient,
gemeinsame
Aktionen. )
─ Psychotherapeutische Hilfen zur Bewältigung der PTSD und
Begleitung des
Trauerprozesses
( Erinnerung an das traumatische Erlebnis und äußern
des emotionalen
Erlebens damit Beginn des Verarbeitens. z.B. Entspannung, Gespräch, erkennen das
Sie
nicht alleine sind, schrittweise und wiederholte Konfrontation mit der
belastenden
Situation, ( durch Erzählungen der anderen besser zu ertragen ). Klärung
der Umstände
des
Todes. Desensibilisierung und in- vivo-
Desensibilisierung, Rituale, Klärung der
Beziehung zu den Verstorbenen, z.B. geleitete Phantasien, Beschäftigung
mit Fotos und
symbolischen Objekten der Verstorbenen, Besprechen von Träumen,
Schuldbewältigung und Abschiedsritualen,
Hilfestellung zur Bewältigung von aktuellen Lebensproblemen als Folge
der
Veränderungen der Lebenssituation durch die Katastrophe.
─ Hilfestellung und Unterstützung bei der Suche nach
Einzeltherapie, wenn dieses als
notwendige
Weiterbegleitung erkannt oder gewünscht wird.
─ Weiteres Aufnehmen anderer Betroffener zu unterschiedlichen
Zeiten. Ein schneller
Beginn nach
einem Ereignis lädt Betroffene ein, die beziehungsfähig sind.
Andere ziehen sich erst einmal zurück und nehmen später den Kontakt zu
anderen
Betroffenen auf.
Sybille Jatzko ( 2001)